Montag, 18. Februar 2013

Edmonton - Kapitel 5: "Die sind doch alle bekloppt..."

Um euch zu beruhigen, es ist niemand gestorben! Tobi und ich wurden lediglich in unterschiedliche Teams gesteckt, weshalb ein früheres Blockupdate nicht möglich war. Reisen wir nun in der Zeit zurück und sehen, was es auf dem riesigen Abenteuerspielplatz "ATCO Electric" alles zu erleben gab.

Wie bereits angekündigt, verließen wir am Folgetag unser vertrautes Heimcamp und zogen in das halbfertige um. Tobi war allerdings auch nicht besonders traurig darüber, denn direkt vor seinem Schlafzimmer stand eine Flutstrahler + Generator :D



Allein die Temperaturen waren schon ein schlechtes Omen.



Wir erreichen also das Camp. Trotz des schönen Sonnenaufgangs sieht die Situation schlecht aus. Noch nicht vorhanden sind: Bettwäsche, Küche, fließend Wasser, Elektrizität. Hätten wir uns mit Daves Fachwissen eine Holzhütte gezimmert, wären wir somit genauso fortschritlich.
Dementsprechende Gegenmaßnahmen wurden eingeleitet. Elektromeister Shawn und Grünschnabel Leo bei der Arbeit.


Und tatsächlich war am Ende des Tages Elektrizität, Wasser und Bettzeug vorhanden. Das Problem, das weiterhin bestand, war die Essensfrage. Anstatt jetzt einfach 20 Minuten ins alte Camp zu fahren, sollten wir die kürzere Zehn-Minuten-Strecke nehmen und !Achtung! morgens, mittags und abends Essen gehen, auf Kosten der Firma versteht sich. Das der Kostenaufwand dadurch größer wurde, schien hier niemanden zu stören. 2 1/2 Tage haben wir diesen Komfort genutzt, welcher zwar unsere Pausen zwangsweise verlängerte, aber mich persönlich auch spüren ließ, dass Kanadier in Alberta keine Pizza machen können und Asiatisch besser in Vancouver genossen wird. Nichtsdestotrotz haben wir gut gespiesen. Die Welt schien in Ordnung, bis wir am 21. vom Abendessen nach Hause kamen. Folgende Situation: Dave war nicht mitgekommen zum Essen, wir sollten ihm was mitbringen. Wir kommen wieder, Dave ist nicht am Trailer. Wir gehen also auf die Suche, bis zu folgendem Dialog:
Tobi: "Warum ist denn der Generator so laut?"
Leo: "Der ist so laut wie immer."
Tobi: "Junge, guck doch mal, der qualmt doch!"
Leo: "Der qualmt übehaupt nicht, du spinnst doch!"
BOOOOOOOOOOOOM! Große Rauchwolke kommt aus dem Häusschen, Dave kommt aus der Ferne gesprinntet: "MACHT DAT DING AUS!"

Flammen schlagen aus dem Gebäude, kochendes Öl spritzt aus der Maschine, Schrauben schießen durch den Raum, alles wackelt, bis der Generator unter lautem Getöse mit einem Knall explodiert, eine riesige Stichflamme erhellt das Camp, Rauchschwaden zieren den Himmel...
Das möchtet ihr jetzt lesen, aber HAHA, so war es nicht! Außer dem Öl war alles erfunden!
Auf jedenfall war der Generator im Eimer. Stromausfall im ganzen Camp, was also tun? Zum Glück war die "Molly" nur übergangsweise da, der richtige Campgenerator war schon vor Ort, musste nur noch angeschlossen werden. So wurde das ganze Camp mobilisiert und alle fassten mit an, um das Problem zu beheben.





Stiftung Warentest sagt: gut!

Hier nun also ein Bild unserer Privatkajüten mit Strom.

Auch Tobi durfte einen Tag mit Shawn arbeiten und hat somit nun die Prüfung zum Elektronikmeister bestanden.


 Der Arbeitsplatz

Es folgen ein paar Bilder unserer Werke


 Die Gehwege und die Rahmen im Hintergrund


Die Treppen


Das bereits bekannte Anbringen der Zinnplatten. Hier ein Beispiel, mit was für Hindernissen wir zu kämpfen haben.

Ein eher unerfreulicher Fakt ist, dass es einige aus den anderen Teams auf Dave abgesehen haben und deshalb versuchen, uns das Leben so schwer wie möglich zu machen. Hier ein Beispiel: diese Kabel waren am Abend zuvor ordentlich von Tobi zusammengelegt und getrennt von einander gelagert worden.



Einen anderen Tag fragt uns ein Elektriker, ob wir sehen wollen, wie man die Hauptversorgung anschließt. Der Vorarbeiter des anderen Teams kommt um die Ecke, sieht uns drei und versteckt sich, um uns zu beobachten. Nächsten morgen kommt Dave rein: "Ab sofort keine Gespräche mehr mit anderen Arbeitern, jemand hat beim Chef angerufen und sich beschwert, dass ihr faul seid!" ERNSTHAFT? Es ist wie im Kindergarten. Das einzige, was wirklich an der Sache nervt, ist die Tatsache, dass die anderen IMMER zu spät anfangen, ständig Pause machen und sich obendrein noch illegalerweise abends betrinken. Leider ist deren Vorarbeiter der Liebling von Shawn, welcher der Liebling von Mike (dem Besitzer von True North) ist. Wie Dave immer sagt: "It's not who you know, it's who you blow."

Wir haben uns allerdings ein Formular besorgt, dass wir beim Chef einreichen können.

Da tut es ganz gut, dass die Auftraggeber mal eben für alle bei Tim Hortons einkaufen gehen.

Wir kommen nun zu einem tragischen Event. Die männliche Leserschaft wird schockiert sein. "Du lässt dich von gesellschaftlichen Zwängen unterdrücken!" oder "Weichei" werden sie schreien. Man muss sich jedoch die Frage stellen - war ich noch Mensch? Oder ein Wolf? Oder ein Wolfsmensch? Oder eine intergalaktische Wollknäuelspezies auf der Mission, die Erde zu zerstören? Zudem war Muttis Geburtstag und sie hatte es sich doch so sehr gewünscht...


Leonhard Hummel ihm sein Bart
- eine Geschichte in Bildern -











R.I.P. Bart

Ein weiterer Schock lässt nicht auf sich warten. Unsere Mannschaft wurde getrennt. Dave sollte mit zwei anderen zu einem anderen Camp fahren, um dort auszuhelfen. Der Auserwählte, der nach Hause fahren musste, war natürlich ICH! Während sich die anderen eine goldene Nase verdienten, sollte ich zu Hause vergammeln. Zum Glück bin ich ein sozial integrierter Mensch, der selbstverständlich zu allen Partys der Stadt eingeladen wird ;)





Megs Formulierung: "Come hang out at my place."
Komischerweise war ich erst 36 Stunden später wieder zu Hause. Ich verbrachte den nächsten Tag mit Gareth und Arthur bei JJ, für den wir eine ausklappbare Werkbank kreierten.



Einweihungsfeuer gab es natürlich auch. Die Story dazu:
JJ: "We should write something on here and set it on fire."
Leo: "Write 'Schnizel'"
JJ: "Crazy German!"
Er sprüht irgendein Zeug auf den Tisch und will es anzünden. Es funktioniert nicht. Er sprüht immer mehr und mehr.
Gareth: "Maybe it's not burnin' cause it says 'poisonous' on the label?"
JJ: "Absolutely!"
Nimmt was anderes, sprüht es auf die giftige Flüssigkeit und zündet es an. Kanadier :D



Ich hatte außerdem die Möglichkeit, einen Arcade-Automaten von 1996 auseinanderzunehmen. Das Spielmodul ist größer als ein N64!



Nach 4 Tagen wurde ich dann mit einem anderen Team nach Telephone Lake geschickt. 12 Stunden Autofahrt inklusive Ice Road. Das Gebiet besteht fast nur aus Sümpfen, weshalb die Bohrungen nur im Winter stattfinden können, ansonsten würde das gesamte Equipment versinken.


Eine 68 Kilometer lange Straße aus Eis mitten durch den Wald.

Am zweiten Tag wurde allerdings festgestellt, dass Andrew und ich ja gar kein Fall Protection Zertifikat haben, weshalb wir am dritten Tag die 12 Stunden wieder nach Hause geschickt wurden :D

Ich überreiche nun an Herrn Knauer, damit er seine Erlebnisse teilen kann: (aus unerklärlichen Gründen kann ich seinen Zeilenabstand nicht ändern :/)

Nun waren die beiden tapferen Gefährten getrennt worden, auf dem Weg zu Ruhm, Macht, Ehre und sonst irgendwas... Traurig war's und einsam auch.


...das passierte als ich mir meinen Standort bei Google anzeigen lassen habe. Die Ölindustrie hat hier so viel Macht, dass sie selbst Google verbietet, genaue Bilder des Gebietes anzuzeigen.
Geprüft wurde nun, ob beide allein ihren Mann stehen konnten, im Gefecht mit jeweils Langeweile und Schnee.
Das Resultat: eine Abmahnung vom Chef, weil jene glorreichen Recken des Öfteren Schnee schoben, ohne sich mit dem Sicherheitsgurt am Dach zu befestigen.


So war ich nach lediglich 20 Arbeitstagen am Stück (in der Kälte haben wir gearbeitet! Teilweise -40°C hatten wir... 11 Stunden am Tag haben wir uns den Arsch abgefroren!!) in das nächste Camp gekommen. Gut war, dass ich für diesem Campaufenthalt mit dem 1,5-fachen meines Stundenlohns bezahlt wurde... Schlecht, dass Schneeschippen echt einer Strafarbeit nahe kommt!
Aber beginnen wir doch einmal von vorn:
Es war einmal vor langer Zeit, da begab sich der Umstand, dass wir überraschend gleich ins nächste Camp fahren und nicht nach Hause kommen sollten. Die große Überraschung: nur 2 von 3 der deutschen Deppen sollten mit, einer durfte sich, zu Haus angekommen, wieder der Trinkerei und den endlosen Frauengeschichten hingeben. Ich musste dummerweise arbeiten...

Wobei, Arbeiten meinte teilweise wirklich bewundert zu werden, da die Leute immer dachten, dass wir einen unglaublich coolen Job hätten:

...was wir allerdings wirklich machten: langweiliges SCHNEESCHAUFELN!!

Die Abfahrt war nun auf 4:30h in der Früh datiert. So weit, so gut... Wer verschlief natürlich?! Nicht die hart arbeitenden "nur-Arbeiter", sondern der liebe Vorarbeiter.
Bis dieser dann sein Hab und Gut im Dodge RAM der Superklasse verstaut, eine Zigarette geraucht und die ersten paar Espresso intus hatte, vergingen lediglich 45 Minuten. Die Verspätung hingenommen, bemerkten wir, dass unser Trailer einen lust- und luftlosen Reifen hatte. Da kommt Freude auf!
Was wurde also gemacht? (Natürlich! Logischerweise würde man ihn auswechseln, diesen Störenfried, nicht aber in Alberta, Kanada.)
Zitat: "...das passt schon, wir pumpen da einfach ein bisschen was an der ersten Tankstelle nach!"
Nun sind wir allerdings in Kanada, ergo, Entfernung zur nächsten Tankstelle = 30km!

Nachdem wir die besagte Tankstelle in der Mitte vom Nirgendwo gefunden hatten, stellte Micha fest, dass mehr Geld in den kleinen Automaten geworfen wurde, um den Reifen wieder aufzupumpen, als ein komplett Neuer gekostet hätte.
Endgültig: Es geht los! 4 Stunden Fahrt, durch Albertas... nennen wir es mal "schöne" Natur. Hier ein kleines Kopfkino: Zwischen den endlos vielen Nadelbäumen sah man ständig einen wirklich umweltschonend und gesund aussehenden schwarzen Rauch von Raffinerien aufsteigen, zugefrorene Sümpfe, durch Öl faziert schwarz wie die Nacht und ein kolossaler Truck nach dem anderen. 


...eines der wundervollen Camps am Rande der Straße durch's NICHTS! 



Ungefähr so fanden wir die wundervolle Natur vor. Die ist allerdings ein Foto aus dem Camp, welches alles bisher Gesehene toppt! Als wir nachgefragt haben, was zur Hölle das ist, bekamen wir die schlichte Antwort: "Das is unsere Müllverbrennungsanlage!" Dumm nur, dass hier kein Plastik von Essensresten getrennt wird...

Angekommen im Camp wurden wir eingewiesen und uns wurde gezeigt, auf welchen Dächern wir denn nun unser Tagewerk verrichten durften. Es stellte sich heraus: auf vielen!
Das Camp an sich war das beste, in dem ich persönlich war. Wie üblich einen Flat Screen TV, Schreibtisch, eigene Dusche und Toilette und ein wirklich sehr schönes großes Bettchen! Doch die Kleinigkeiten machten den Unterschied: nicht irgendein Kaffee wurde den gesamten Tag zur Verfügung gestellt, nein, es war original "Starbucks". Besonders war auch, dass man überall im Camp Wifi hatte und die Küche neben unglaublich großen Fernsehern mit zwei Kaminen dekoriert war.

...ein ganz normales Frühstück



 ...an dieser Stelle ein ehrliches "Dankeschön" an die Ölindustrie und die durch sie verursachte Umweltverschmutzung, die zu solch schönen Sonnenuntergängen führt!


Der erste Tag: Angefangen mit dem Schneeschaufeln, haben wir am Nachmittag davor festgestellt, dass wir absolut ungeeignete Schneeschaufeln haben! Lediglich die ganz normalen, die durchaus gut sind - wenn man seine Auffahrt vom Schnee befreien will. Wir brauchten was größeres! Weniger Anstrengung, um mehr Schnee zu bewegen, das war die Devise!
Auch der gute Herr Vorarbeiter erkannte schnell, dass dies kein Zustand sei und begann, größere Schaufeln zu besorgen. Die Managerin wusste allerdings schon um den Notstand und hatte bereits Schaufeln geordert, die jedoch durch geringfügige Straßen- und Wetterprobleme immer noch nicht zugestellt waren. Also ging's mit den kleinen "Ottonormalverbraucher-Schaufeln" weiter. Am Nachmittag dann die Erlösung! Die Schaufeln sind da!!!
Juhu!
Wie viele sind's?
3...
Durchaus verständlich, dass wir 3 Schaufeln mit insgesamt 5 Leuten bekommen.
Bereits hier muss ich abschweifen, da ich etwas essentiell wichtiges vergessen habe: den "GHOSTBUSTER"... Unser Vorarbeiter hatte im Vorfeld einen 800$ Laubpuster geordert, um damit Schnee zu bewegen. Und genau diese wunderbare Maschine kam in diesem Moment zum Einsatz.

Zweck: Schnee pusten.
Wirkung: Die oberste und leichteste Schicht wurde weggeblasen, jedoch wurde jeglicher Schnee darunter komprimiert und dadurch für uns härter zu Schippen.
Wirklicher Nutzen: Absolut keiner! Ok, man konnte super Fotos damit machen!
Who ya gonna call?!
  
Jedoch hatte unser Vorarbeiter mit dem Chef um den Kaufpreis gewettet, dass diese Maschine die "magic bullet" würde und ließ deshalb nicht davon ab, sie zu benutzen.
Nun wart es also gesprochen, jenes Urteil! Drei gute Schaufeln, eine ungeeignete und der "GHOSTBUSTER".

Einige Tage ging dieses Konzept auch gut (einen ganzen Tag), bis dann endlich der gutste Vorarbeiter beschloss, zwei vergleichbar gute Schneeschaufeln aus dem lediglich 250km entfernten Fort McMurray zu holen. Unvorstellbar für Deutsche! 500km, Benzinkosten und knapp 1000$ Personalkosten hieß es also, um ZWEI SCHNEESCHAUFELN (!!!) zu holen.


Lange Rede, kurzer Sinn: Sie holten die wunderbaren Schaufeln, besser wurde unsere Situation allerdings nicht!
Immer zwischendurch musste man sich abgurten, um auch die Mitte der Gebäude zu schaufeln. Dummerweise wurden wir alle das ein oder andere Mal von dem Sicherheitsbeauftragten der Baustelle dabei erwischt, welcher nicht so sehr erfreut darüber schien...

Mehr und mehr Erschöpfung kam über alle, die mittlerweile 25 Tage am Stück 11 Stunden in der Kälte Kanadas arbeiteten.

Gegen Ende bekamen wir noch den Bonusauftrag, die komplette Kücheneinheit vom Schnee zu befreien. Dies sollte uns nun nochmal drei Tage mehr im Camp halten.

Alles in allem war es eine wirkliche Grenzerfahrung. Vor allem, da ich den besagt super tollen Trailer nach 27 Tagen Arbeit und mittlerweile völliger Ermüdung noch nach Hause fahren durfte, da der eigentliche Fahrer - Micha - aufgrund seiner überdurchschnittlichen Qualifikation ins nächste Camp kam.
Viel Zeit, um das Fehlen Leos wirklich zu Bedauern, war also nicht.
Tragische Geschichte.
So.
Tobi, over and out.

Nun sind wir wieder vereint und genießen die freien Tage mit Spiel & Spaß.









Wir warten nun auf Dienstag, um den Kurs zu machen und dann erneut zur Arbeit aufzubrechen. Micha hat das Ticket bereits und ist deshalb schon dort.

Questenzeit!
Queste Nr. 5 erfordert es, dass wir uns nicht nur durch das Internet mit unseren "Liebsten" in Verbindung setzen, sodern auf mitteralterliche Mittel zurückgreifen:
"Es ist Zeit an seine Liebsten zu denken. Also hopp, verschickt Postkarten an eure Liebsten! Jeder freut sich über ein Lebenszeichen von euch.
P.S. Unsere Liebe ist wie der Wind..."
Ein jeder, der also keine Karte bekommt, sollte sein Leben überdenken!

Leo & Tobi