Donnerstag, 20. Dezember 2012

Edmonton - Kapitel 2: Die wahre Lebenskunst besteht darin, im Alltäglichen das Wunderbare zu sehen

Die Überschrift trifft es schon ziemlich gut. Auch wenn man es nicht für möglich halten mag, das Leben in Edmonton ist tatsächlich bereits Alltag geworden, bestehend aus "Aufstehen", "Frühstücken", "Arbeit", "Abendbrot" und "Schlafen". Aufgrund der Öffnungszeiten der Mall ist es uns nicht möglich besonders früh oder spät anzufangen, ergo ist mit einem Arbeitstag die gesamte Zeit verplant. Mit viel Glück bekommt Tobi es manchmal hin Michelle dazu zuüberreden, uns morgens abzuholen. Das erleichtert die Seele erheblich und die Euphorie ist groß.





In der Mall angekommen wird meist einer dazu verdonnert, Kaffee zu holen, der damit einhergehende Verfall der englischen Sprache ist oft durch Bezeichnungen wie DoubliDoubli oder TrippliTrippli unumgänglich (präzise Angabe von Milch und Zucker. Da sich allerdings noch keine Einigung erzielen ließ, ob nun die Anzahl der Milch oder des Zuckers zu Beginn steht, sind Kombinationen wie DoubliTrippli oder TrippliDoubli nicht umsetzbar. Die Verhandlungen dauern an). Das Koffein ist nötig um depressive Energie abzubauen und Glücks- und andere Hormone freizusetzen...


Richard, der mit oskarreifer Schauspielkunst auf diesem Foto brilliert.

Es beginnt nun das eigentliche Prozedere der Arbeit. Einige Mitarbeiter tun sich durch produktive Arbeit vor, während andere noch in der Tiefschlafphase sind und doch eher doof aus der Wäsche gucken.




Unser Chef Haff ist übrigens überzeugter Feng Shui-Anhänger. Das lässt ihn ab und zu seltsame Entscheidungen fällen, unter anderem auch was die Dekoration des Ladens betrifft - wenn man das so nennen kann.



Acht kleine Friedenssteine (oder sind es WEISSE KIESEL?!?) im Eingangsbereich, 6 Dollarmünzen im Abstand von ca. einem Zentimeter im Kassenbereich und rote Streifen? auf ein Schild geklebt. Der Sinn mag sich dem gewöhnlichen Auge entziehen, jedoch sind diese Dinge eines höheren Zweckes dienlich und werden von uns nicht in Frage gestellt.

Auf dem Heimweg sind Bilder der Diskriminierung keine Seltenheit. Es ist unglaublich, wie lokale Großkonzerne einen Spalt zwischen die Bevölkerung treiben wollen und Zwietracht säen. Hier ein Beispiel aus den örtlichen Beförderungmitteln.


Bevorzugt werden Ommas mit Hackenporsche, Halb-Mumien, Dicke, Weihnachtsmänner in Rente und Hundebesitzer. Der Rest der Bevölkerung muss stehen... Unverantwortlich!

Schockiert durch solche Bilder der Menschenverachtung kauern wir uns nach dem Abendessen ins Bett und hoffen auf ruhigen Schlaf.
Aufgrund der oben beschrieben Eintönigkeit unseres Tagewerkes werden wir versuchen, jegliche Besonderheit unseres Lebens hervorzuheben. So zum Beispiel den neuen Haarschnitt des Herrn Knauers. Nach längerem Zögern entschließt er sich doch für die Schere und gibt sein Leben als Justin Bieber-Double auf.

Tobias Knauer ihm seine Haare
- eine Geschichte in Bildern -








Einkaufstrip mit Micha - ein Erlebnis der Superlative
Man fragt sich, was schöner ist. Die traumhafte Winterlandschaft oder doch das charmante Lächeln des Christoph Columbus?


Der Real Kanadas. Wenn der Schriftzug nicht gleich ist, weiß ich auch nicht weiter.

Ein Gruß an die Ölindustrie Deutschlands ;)


Mutti beim shoppen
 

Wer schön sein will, muss leiden.

Zum Abschluss gibt's mal wieder eine Queste. Dem ein oder anderen mag es vielleicht aufgefallen sein, letzten Monat wurde eine solche nicht bestritten. Das liegt daran, dass die uns gestellte Aufgabe zu dem Zeitpunkt nicht zu 100% korrekt ausgeführt werden konnte. Die Gunst unserer Aufgabensteller hätte nicht erworben werden können und somit wurde die Queste (mit Einverständnis der holden Prinzessinen) auf unbestimmte Zeit verschoben. Deshalb also Nr.3: "Gönnt euch diesen Monat mal einen gemütlichen Abend mit 2 Flaschen Wein (Bier zählt nicht!) und was leckeres zu essen! P.S.: SCHALALALA..."
Von der Grammatik mal abgesehen eine nahe zu lächerliche Queste, die mit einem kühnen Wimpernschlag erfüllt wurde.
Des Nachts machten wir uns ohne Ross auf zu MC Ride, wo wir erst einmal angepöbelt wurden, dass man ohne Pferd nicht bedient wird.


Durch verderbte Zauberkraft konnten wir jedoch den Verstand des Krämers beeinflussen und erhielten unser Mahl.



Prost & gute Nacht!

Leo & Tobi

Sonntag, 2. Dezember 2012

Ein fröhliches Hallo aus dem hohen Norden.

Bevor wir zur grandiosen Edmonton-Story kommen, kommen hier noch zwei Fotos vom Holzholen des letzten Tages auf der Beaverfootlodge, einfach weil sie echt cool sind :)



Edmonton - Kapitel 1: Der Kampf ums nackte Überleben

Der gute Nico war so frei uns gegen 11:30pm zur Greyhoundstation zu fahren, wo wir zwei Stunden lang produktiv rumsaßen. Mit 30 Minuten Verspätung vom Greyhound aufgegabelt versuchte man ein paar Stunden zu schlafen, da allerdings ein Buswechsel unumgänglich war, konnte dieses Vorhaben nicht in die Tat umgesetzt werden. Völlig übermüdet wurden wir also in Edmonton ausgesetzt (jetzt nur noch 8 Stunden Zeitverschiebung!), Kälteschock inklusive. Doch wie man uns beide kennt, konnte nichts unseren Optimismus bremsen. Voller Euphorie stürmten wir das Informationscenter auf der Suche nach Campjobs und einem Hostel. Erste Backpfeife: es existiert nur ein einziges Hostel in Edmonton, welches nicht im Zentrum der Stadt liegt, Busticket unumgänglich.
Nach dem Check-In und der grandiosen Information, dass wir nur zwei Tage bleiben können, da Donnerstag und Freitag ausgebucht sind, machten wir uns auf zum Regierungsgebäude, um eine Sozialversicherungsnummer zu beantragen. Zweite Backpfeife: auf äußerst freundliche Art und Weise wurden wir darauf hingewiesen, dass wir ohne Telefonnummer und Adresse dazu nicht in der Lage seien. Es war allerdings schon 2:30pm, was uns ganze 1,5 Stunden lies, um beides zu bekommen. Adresse sollte kein Problem sein, war doch die Post nur 5 Minuten entfernt. Dritte Backpfeife: Schade nur, dass die Postfachabteilung 18 Blocks weitergezogen war, in unserem Zeitfenster nicht machbar. Was also tun? Und wieder einmal wurden wir von Gordon & Anita gerettet, die sich bisher in jeder Lebenslage als Hilfe angeboten haben! Auch die kanadische SIM-Karte konnte dank einer kompetenten Rogers-Dame schnell beschafft werden. So erreichten wir noch pünktlich unsere Arbeitsberechtigung.
Bei der Agentur für Arbeit (an dieser Stelle ein Dankeschön an Wolfgang Krause, der mich lehrte, dass es nicht Abeitsamt heißt) angekommen, waren das Ziel die Campjobs und wir erhielten Hunderte von Mailadressen. Vierte Backpfeife: Wie wir am Abend in Erfahrung brachten, besteht das Hostel aus ca. 70% Jobsuchenden, die sich auf Campjobs beworben haben und auf ihre Zusagen warten, darunter auch Micha, ein Kölner auf Weltreise. Realistisch sei ein Job Ende Januar.
Wir begannen zu realisieren, dass die Goldgrube Edmonton doch nicht so leicht zu plündern sei, wie wir zunächst gedacht hatten. Wir fassten also den Entschluss, uns übergangsweise einen Job zu suchen. Am frühen Morgen ging es erneut zur Agentur für Arbeit, wo sich uns die Möglichkeit eröffnete, Lebensläufe zu schreiben und zu drucken. Auf den Tipp einer Mitarbeiterin hin machten wir uns auf zur West Edmonton Mall. Ein Paar Zahlen. Die WEM ist von der Anzahl der Läden her betrachtet die sechstgrößte Mall der Welt, von der Fläche her die Größte. Zitat aus unserem kanadischen Reiseführer:
"Kitsch-Liebhaber, die Vegas inzwischen langweilig finden, werden in der West Edmonton Mall einen Heidenspaß haben. Der urbane Koloss gibt sich nicht damit zufrieden, ein gewöhnliches Einkaufszentrum zu sein. Nein, hier gibt es, als kleinen Bonus sozusagen, die gröten Wasserrutschen der Welt, ein voll ausgestattes Wellenbad, einen Vergnügungspark in voller Größe, eine Eisbahn, zwei (ja, zwei!) Minigolfplätze, ein künstliches Riff mit echten Robben, einen Streichelzoo, ein Hotel und 800 Läden. Hier schlendert man gemütlich durch Chinatown und holt sich dann in der wunderbar unauthentischen Bourbon St einen Happen zu essen. Danach Schlittschuhlaufen oder einen Runde Bungeespringen gefällig? Und zu guter Letzt taucht man in das Meer der Einzelhandelsketten ein."










Ja, da surft einer.

Während Tobi die Toilette aufsuchte, fragte ich aus Jucks in einem Metal-Merchandise-Geschäft "Deja Vu", das mit den Läden "FS" (Skate- und Snowboardladen) und "Soular" (Hip-Hop uns sonstiger Mist) die Besitzer teilt, ob sie denn zur Zeit Leute suchen. Dies war der Fall. Danach schlenderten wir also von Laden zu Laden und händigten unsere Résumés aus. Und ihr werdet den Laden sicher bemerkt haben, ja, auch bei Hooters versuchten wir unser Glück. Leider wurde uns gesagt, dass wir nicht als Bedienung arbeiten dürfen, das fanden wir ziemlich sexistisch und verließen den Laden :D Zwei Stunden später bekamen wir einen Anruf vom ersten Laden für ein Interview. Und was soll ich sagen, WIR HABEN DEN JOB!

Fotoshoot mit Meghan und Mihail

Geklärt werden musste jetzt nur noch die Wohnungsfrage, denn das Hostel kostet pro Person im Monat 930$ gekostet. Erst einmal mussten wir aus dem Hostel ausziehen und landeten somit im Strathcona-Hotel um die Ecke.


Diese Absteige war mit Abstand das Schlimmste, was wir jemals gesehen haben. Zigarettenstummel unterm Bett, nicht abstellbare Heizung, auseinanderfallende Möbel, Blut und Haare unter dem Bettlaken - einfach ein Traum. Zum Glück mussten wir dort nur zwei Nächte bleiben, denn danach waren wieder Zimmer im Hostel frei. Und nachdem wir mit Micha, dem selbsternannten Christoph Columbus des 21. Jahrhunderts, beschlossen hatten, eine Wohnung und ein Übergangsjob wären sinnvoll, konnten wir zu dritt ein Appartment für schlappe 1000$ pro Monat ergattern.

Dusche

Küche

Bad

Waschraum

Tobis Zimmer

Wohnzimmer (mit Micha)

Leos Zimmer

Worauf nun sicher alle warten: TOBIS GEBURTSTAG


Zusammen mit unserer Managerin Michelle, Markus (dem Manager von "FS"), Meghan und einem Freund ihrerseits gönnten wir uns ein zweites Mal Hooters, mit anschließendem Barbesuch. Wer mehr darüber erfahren möchte, informiert sich bitte bei Dr. Knauer persönlich.


Und so leben wir nun wie normale Menschen in Edmonton, echte Residents des Staates Kanada!

Wir sind gespannt, was uns die Zeit hier so bringt, in der Hoffnung, dass die Blogposts nicht zu langweilig werden, weil wir nichts erleben.

Um Micha zu zitieren, machet joht,

Leo & Tobi

P.S.: Wir entschuldigen uns für die Auswahl der Fotos, aber Tobi schämt sich für seine Matte.